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„Zu wissen, ich bin nicht allein, das war ein Trost“

Ursel Glüsing fand in schwerer Zeit Begleitung und Trost durch eine engagierte Seelsorgerin im Altenpflegeheim St. Elisabeth.

Hände beschützen Hände

Ursel Glüsing liebt es, mit Menschen in Kontakt zu sein. Sie erzählt, lacht und scherzt. Nur als die 84-Jährige an die Zeit vor etwa einem Jahr zurückdenkt, kommen ihr ein paar Tränen. Damals starb ihr Mann Bernd. 60 Jahre lang waren sie verheiratet – fast 60 Jahre. „Ich hätte das Jubiläum gerne noch gefeiert“, sagt sie.

Bernd Glüsing verbrachte seine letzten zwei Jahre im Altenpflegeheim Caritashaus St. Elisabeth in Bremen. „Eine ganz tolle Einrichtung“, lobt die ehemalige Lehrerin. Er war Ingenieur. Sein großes Hobby aber war die Musik: Er spielte Klavier, scheute keinen Weg, um ein Jazz-Konzert zu besuchen. „Ich bin immer mit“, erinnert sie sich. Und er war ein sportlicher Typ, Tennisspieler aus voller Leidenschaft, mochte eiskalten Apfelsaft.

Doch dann erkrankte Bernd Glüsing an Parkinson und irgendwann schaffte seine Frau die Pflege nicht mehr. Da suchten sie eine Bleibe, nicht weit weg vom gemeinsamen zu Hause. Bernd Glüsing fühlte sich wohl in St. Elisabeth – allerdings wusste er auch, dass dies seine letzte Station auf Erden sein würde. Die Krankheit nahm immer mehr Besitz von seinem Körper und seinem Geist. „Er wurde immer weniger.“ Nur sprechen, das konnte er noch einige Zeit: „Wir haben bei meinen Besuchen im Haus – ich war fast jeden Tag dort – miteinander viel gesprochen“, blickt Ursel Glüsing zurück. Und sie habe sich öfters gefragt: Was antworte ich, wenn er sagt: ‚Ich habe Angst vorm Sterben‘. Da habe sie sich sehr hilflos gefühlt.

Hilfe fand sie dabei bei Claudia Rolke. Die Frau mit den kurzen Haaren ist Seelsorgerin in den Altenheim der Caritas in Bremen, also auch im Haus St. Elisabeth. Sie hatten sich bei den vielen Besuchen von Ursel Glüsing kennen- und schätzen gelernt. „Was mich sehr beeindruckt hat ist, ich habe ihr klipp und klar gesagt, ich gehöre keiner Kirche an. Das hat sie nicht gestört. Sie hat mich so genommen, wie ich bin. Das fand ich großartig“, lacht Ursel Glüsing. Und Claudia Rolke fügt hinzu: „In der Begleitung von Menschen, die einen Partner, eine Partnerin verlieren, ist es nicht wichtig, ob sie Mitglied einer Kirche sind oder nicht.“

Aber was antwortet man jetzt einem Sterbenden, wenn er sagt „Ich habe Angst“? Claudia Rolke riet ihr, dann zu sagen „Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist nicht allein. Ich bin bei Dir und begleite Dich. Und die Familie ist da, die Pflegekräfte. Du bist bis zum Schluss gut aufgehoben.“ Die Intention sei dabei gewesen auch Ursel Glüsing die Angst zu nehmen – denn auch sie sei ja nicht allein mit der Situation gewesen. Immer wieder haben sie sich in der Zeit vor dem Tod im Haus St. Elisabeth getroffen. Mal nur die zwei Frauen, mal beide mit Bernd Glüsing.

„Wir haben dann öfters auf ihren Mann geschaut und Frau Glüsing hat gesagt, was sie wahrnimmt“, erzählt Claudia Rolke. Ihr sei es dabei wichtig, dass die Angehörigen sehen, ob ihre Lieben in der Sterbephase eine Zufriedenheit ausstrahlen oder nicht, ob sie im Frieden sind. „Dann fällt es ihnen leichter, sie gehen zu lassen. Manchmal sagen sie auch, dass ihre Lieben geborgen zu sein scheinen. Dann kann ich eine göttliche Wirklichkeit als Möglichkeit anbieten, dass der Tod als ein Hinübergehen in eine göttliche und liebende Beziehung verstanden werden kann.“

Die Gespräche zwischen den zwei Frauen gingen aber nicht immer um Sterben und Tod, oftmals waren es auch einfach Alltagsthemen. „Ich habe gemerkt, wir liegen auf einer Wellenlänge. Das ist jemand, dem ich vertrauen kann“, sagt Ursel Glüsing. Mit diesem Vertrauen konnten sie dann auch die Trauerfeier für ihren Mann gemeinsam planen.

„Die Trauerfeier ist der erste Schritt aus der Trauer hinaus ins Leben“, sagt Claudia Rolke. Sie müsse dem Verstorbenen entsprechen aber auch den Hinterbliebenen dienen, findet sie. Deshalb sei es auch eine persönliche Feier geworden: mit Musik, die Bernd Glüsing liebte, und einer Ansprache, in der an ihn und sein Leben erinnert wurde. „Wir haben sogar gelacht“, sagt Ursel Glüsing. Mit zur Feier gehörten als liturgische Elemente das Vaterunser. Und am Ende gab es einen „Reisesegen“ für ihren Mann.

Die Wochen der Trauerbegleitung halfen Ursel Glüsing dabei, von ihrem Mann Abschied nehmen zu können: „Schon allein zu wissen, das ist jemand, mit dem du reden kannst und der dir hilft, war sehr entlastend“, sagt sie und: „zu wissen, ich bin nicht allein, das war ein Trost.“

Zuerst erschienen: Website Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen

Foto: u_qunjpg1u6y auf Pixabay